Kommentar

Inter feiert ins Jahr des Hornochsen

Der moderne Fußball bettelt regelrecht um hasserfüllte Kommentare. Jeder der diesen Sport je geliebt hat, schwankt zwischen dem Bedürfnis, seinen Grimm von der Seele zu schreien und dem Groll, dass dieses kranke System dadurch nicht mehr zu retten ist. Anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes am 12. Februar beschäftigen sich diese beiden Brüder der Gefühle mit den Entwicklungen bei Inter Mailand (國際米蘭).

Der chinesische Drache treibt weiter sein Unwesen und pulverisiert mit seinem Feueratem die Grundfesten des europäischen Fußballs. Outsourcing, Uiguren-Unterdrückung und Tibet-Konflikt konnte ich noch akzeptieren, doch spätestens seit dem kurzen Intermezzo der chinesischen U20-Nationalmannschaft in der Regionalliga Südwest ist das Maß gestrichen voll. Doch während der deutsche Fußball heimlich auf die Rückkehr Siegfried des Drachtenöters wartet, scheint Italien sich längst mit der Feuersbrunst abgefunden zu haben, die vom Reich der Menschenrechte ausgeht. Die Einzigen sind sie bei weitem nicht. Seitdem der Italienische Supercup im Jahr 2009 regelmäßig in Peking oder den Arenen anderer weltbeliebter Unrechtsstaaten stattfindet, hat sich viel verändert. Über chinesische Bandenwerbung oder Marketing-Transfers von nutzlosen Quotenasiaten lässt sich mittlerweile nur noch müde lächeln. Jetzt geht es an die Identität der Vereine.

Das aktuellste Beispiel ist mit Sicherheit der FC Internazionale Milano – pardon Inter Milano. Bereits seit rund fünf Jahren befindet sich der Traditionsverein in den Händen von Steven Zhangs Familie, der bei seinem Amtsantritt als Präsident proklamierte, er wolle „die Inter-Familie auf dem Globus verbinden“. Ein absoluter Ehrenmann mit einem schwarz-blauen Pagani Sportwagen. Wer tatsächlich eine Übersetzung dieses Marketing-Sprechs benötigt, um zu begreifen, dass dieser Globus sich auf ein Land beschränkt, das in der FIFA-Weltrangliste einen Platz vor Curaçao liegt und Fankultur auf dem Konzept einer Großfamilie fußen soll, die durch perspektivlosen Nachwuchs möglichst viel Kindergeld abgreift, dem ist nicht mehr zu helfen. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass die Blagen sowohl mit Vereinswappen als auch -logo überfordert sind und demnach bereitwillig ein fresherer Marketingauftritt ausgeklügelt werden muss. Immerhin hat Juventus das sogar ohne Chinamagnaten geschafft.

Ein lächerliches neues Logo, ein prägnanterer Name und hoffentlich bald auch eine seelenlose Salatschüssel von Stadion sowie einen chinesischen Immobilienkonzern auf der Brust: Es läuft einfach bei den Nerazurri. Und während der Rest der Welt sich auch im neuen Jahr noch schwarzärgert, dass es das Schuppentiervirus über die Chinesische Mauer geschafft hat, sendet Inter devote Grüße ins Epizentrum der Pandemie. Bereits 2019 spielten die Mailänder zum chinesischen Neujahrstag mit Schriftzeichen-Flock, zum Jahr des Ochsen haben sich die Marketingstrategen nun etwas noch fabulöseres ausgedacht. Eine ganze Kollektion des goldenen Wappens samt Hörnern, Nasenring und rotem Grund soll die Kühe im Reich der Mitte ordentlich melken. „è ancora Toro, è sempre Toro“ … wait, what?! Die Verwechslung mit den Granatroten aus Turin ist dem Bankkonto so gleich wie Lee aus Guangzhou. Zum Glück ist das Jahr der Ratte bereits vergangen und ein Ochse kein Stier. Das kastrierte Rind passt mittlerweile ohnehin viel besser zu Inter. In Anbetracht des anbahnenden Investorenwechsels bleibt nur zu hoffen, dass künftige Klubeigner aus Saudi Arabien, Katar oder dem Islamischen Staat gnädiger mit dem Erbe der Hornochsen sind.

Grimm, der; Bedeutung: heftiger Zorn; verbissene Wut; Verwendung: Mit sardonischem Grimm greift er zur Feder und bringt die Misstände im Fußball zu Papier.

Groll, der; Bedeutung: heimliche, eingewurzelte Feindschaft oder verborgener Hass, zurückgestauter Unwille, der durch innere oder äußere Widerstände daran gehindert ist, sich nach außen zu entladen, und Verbitterung hervorruft; Verwendung: Sein tiefer Groll gegen den modernen Fußball lässt maximal einen ironischen Zwischenruf zu.